Dienstag, 7. Juli 2009

Wie viel Buch darf's denn sein?

Ich weiß nicht, ob es so etwas wie Buchpsychologie gibt. Aber wenn, dann würde sie uns wohl sagen, dass wir als Käufer ein Buch mit einer Buchrückenstärke von etwa 4,5 bis 5 cm bei einer Standard-Paperbackhöhe von 20 cm und ein paar Zerquetschten als "dicken Klopper" ansehen - und als Vielleser somit gleich für attraktiv erachten. Alles unter 3 cm wirkt dagegen eher schmal. Alles dazwischen … naja, ist eben eine Zwischengröße. (Die Taschenbuchwerte liegen im Verhältnis entsprechend darunter.) Das haben auch die Verlage erkannt, und deshalb sind Romanbacksteine - gerade im Fanatasy-Bereich, der Vielleser anzieht - extrem beliebt dort, egal wie viel Text der Autor wirklich geschrieben hat.

Ein Beispiel: Erst gerade wieder habe ich ein Buch bekommen, dessen Modelmaße von 20,5 / 13,5 / 5 mich neben der hübschen Aufmachung sofort verführt haben (ungeachtet des Inhalts, über den ich noch nichts sagen kann). Ein Blick hinter die Fassade ließ mich schmunzeln. Ja, Großschrift schont die Augen. Aber 30 Zeilen zu ca. 54 Zeichen wirken schon wie sehr wenig Text pro Seite (1620 Zeichen). Ziehen wir mal sehr sparsam 10% Platz für Absätze ab – denn kein Mensch schreibt ja eine ganze Seite in einem grauen Letternblock voll –, so darf man eine Zeichenzahl von etwa 1460 pro Seite annehmen. Bei guten 600 Seiten kommt man hier auf eine Textmenge von 876.000 Zeichen.

Zum Vergleich: "Tarean – Erbe der Kristalldrachen" ist gegen besagtes Buch ein augenscheinlich schlanker Bursche: 21,4 / 13,5 / 3,5. Das Buch besitzt zugegeben auch nur gute 500 Seiten – man beachte aber bereits die unterschiedliche Papierdicke, denn "Tarean" weist etwa 83% der Seitenmenge auf 70% der Buchrückenbreite auf. Doch jetzt kommt's: 35 Zeilen zu ca. 65 Zeichen pro Seite (= 2275 Zeichen), abzüglich 10%, ergeben eine Zeichenzahl von 2050 pro Seite. Richtiger wären in dem Fall wohl 2000, denn ich weiß zufällig, dass das fertige Manuskript ziemlich runde 1.000.000 Zeichen hatte, aber um der Vergleichbarkeit Willen rechnen wir mal mit 2050 (= 1.025.000 Zeichen).

Hätten nun beide Bücher die gleichen Voraussetzungen von – sagen wir mal – 1800 Zeichen pro Seite (das ist der Normzeichenwert für Manuskriptseiten), so wäre das Beispielbuch 487 Seiten dick, "Tarean 2" 569, das Beispielbuch hätte eine Buchrückbreite von 4 cm, "Tarean 2" von 4,7 – bei Verwendung des dickeren Papiers.

Fazit: Glaubt nicht, dass ihr mehr zu lesen bekommt, nur weil ihr das dickere Buch kauft. ;-) (Dass Quantität - im doppelten Wortsinne - weiß Gott noch nichts mit Qualität zu tun hat, ist natürlich eine ganz andere Geschichte.)

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