Samstag, 24. Mai 2008

Grundsteine des selbst errichteten Elfenbeinturms

Man sagt Autoren mitunter nach, sie seien weltfremd, würden sich in ihrem hohen Elfenbeinturm der Literatur verschanzen, die weltlichen Dinge um sich herum ignorieren (etwa so Banalitäten wie all diese Modefeiertage jenseits von Weihnachten und Ostern oder welche TV-Shows gerade die ersten Seiten der Regenbogenpresse beherrschen) und nur noch ab und zu ein neues Werk aus dem Fenster fallen lassen, immer in der Hoffnung, das sich am Fuße des Turms eine zunehmend große Masse an Lesern versammelt, die begierig auf „den neuen Wurf“ wartet.

Doch woher kommt diese selbst gewählte Isolation? Ist das wirklich von den Autoren so beabsichtigt? Ja und nein, scheint es mir. Gerade zu Anfang beginnt es schleichend, nämlich mit der eigenen Unfähigkeit, den Zeitaufwand, dessen es bedarf, um einen Roman zu schreiben, korrekt einzuschätzen. Man laviert so vor sich hin - und plötzlich naht die Deadline, die ohnehin viel zu knapp gesetzt wurde und man kommt zeitlich echt in die Bredouille (Spontaner Humor: Was haben Autoren und ihre Werke gemeinsam? Wenn sie gut laufen, sind sie ständig im Druck!). Das hat dann zur Folge, dass man plötzlich alle Termine absagt und nur noch vor dem Rechner hockt, Tag und Nacht, bis das verflixte Manuskript endlich fertig ist.

Mit der Zeit wird es dann perfider: Denn wenn es mit dem Schreiben erst einmal funktioniert, wird selbiges zunehmend zur Sucht. Man will immer mehr schreiben, sagt immer wieder begeistert „Ja“ zu neuen Projekten, auch wenn die eigene Freizeit zusammenschmilzt wie ein Erdbeereis im Hochsommer, und schließlich ertappt man sich dabei, wie man zwischen dem Bier mit den Freunden und dem Bier mit den Romanhelden abwägt – und dann den Freunden absagt. Irgendwann sitzt man dann an einem Samstagabend (!) alleine im Lichte einer wattschwachen Schreibtischlampe gebeugt vor seinem Computer, und die Augen saugen sich am Bildschirm fest, auf dem sich in einem beinahe magischen Eigenleben die eigene Fantasie in Buchstaben, Worten, Sätzen, Kapiteln entfaltet – und es fällt einem gar nicht mehr auf, wie die Zeit vergeht.

Es kann aber auch passieren, dass man unvermittelt aufschreckt und merkt, was man hier eigentlich gerade macht. (Samstagabend! Alleine! Orthopädisch fragwürdige Sitzhaltung! Vielleicht noch eine halbe Flasche warmen Sprudel neben sich!) Dann blickt man mit einem Schauder auf den fortgeschrittenen Stand der Bauarbeiten am eigenen Elfenbeinturm, springt unvermittelt panisch auf, greift seinen Mantel und stürmt in die Nacht hinaus, um endlich mal wieder unter Menschen zu kommen. (Okay, der letzte Halbsatz war poetische Verklärung… tatsächlich schaudert man nur kurz – und tippt dann weiter. Und möglicherweise schreibt man ein paar nachdenkliche Zeilen in sein Blog.)

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